Dekanat Rodgau

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    Niemand is(s)t allein – vom Wunder des Abendmahls

    Von Pfarrer Martin Franke, Evangelische Kirchengemeinde Seligenstadt und Mainhausen


    „Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist's. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“ (1.Korintherbrief 10, 16+17)

    „Solches tut zu meinem Gedächtnis.“ – An Gründonnerstag, Karfreitag und zur Auferstehungsfeier werden wieder viele Menschen am Abendmahl teilnehmen: in unseren Kirchengemeinden und weltweit. Sie alle erinnern sich an einen Gefolterten und an die Opfer dieser Welt.

    „Es war, als ob ich über einem Abgrund schwebte: Die Vergangenheit hatte keine Relevanz mehr und ich konnte keine Zukunft erkennen. Ich lebte nur für die Minute und in Furcht vor weiterem Schmerz“, beschreibt eine englische Ärztin die Folterung in der berüchtigten Villa Grimaldi in Santiago de Chile. 4500 Oppositionelle wurden dort während der Pinochet-Diktatur zwischen 1975 und 1988 gefoltert, 226 auch umgebracht.

    Schmerzen sind nicht über die Körpergrenzen hinaus übertragbar. Sie machen einsam, isolieren die Gequälten. Vor allem lang anhaltende Schmerzen und die Angst vor ihnen rauben zudem Erinnerungen und Träume, die eigene Geschichte und die Hoffnungen. Jesus von Nazareth war eines der Folteropfer dieser Welt und ihrer grausamen Regime: geschlagen, misshandelt und zu einem quälend langsamen Tod am Kreuz verurteilt.

    Das Erstaunliche ist, dass für Glaubende Schmerz doch teilbar ist. Die ausbleibende Befreiung von der römischen Unterdrückung und aus einer Welt voll Elend, Angst und Gewalt ließen vermutlich viele Anhängerinnen und Anhänger resignieren. Aber eines geschah nicht: Der schmachvoll Hingerichtete wurde nicht kurzfristig zum abschreckenden Beispiel und dann bald vergessen – was Pontius Pilatus und der römische Kaiser zweifellos gewünscht hätten. Bis heute feiern Menschen Abendmahl und erinnern dabei an den Tod und die Hoffnungen Jesu. Für mich ist das ein Wunder – das Unwahrscheinlichste und Hoffnungsvollste, was geschehen konnte.

    Wo immer Menschen dieses Mahl feiern, erinnern sie damit zugleich an alle Schmerzen, die Menschen auf dieser Welt erlitten haben und noch erleiden. Dieses Mahl stärkt, weil es kein Opfer mehr allein lässt. Nicht Jesus und die Schächer auf Golgatha, nicht die Gefolterten in der Villa Grimaldi und keinen Menschen, der sich einsam wähnt. Die Hoffnungen der Gestorbenen werden weitergetragen von uns Lebenden; so wie unsere Visionen, unsere Liebe und unser Vertrauen aufgenommen werden in den Leib Christi – selbst dann, wenn wir vordergründig scheitern sollten: Auferstehung.

    „Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist der nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Das Brot, das wir brechen, ist das nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Denn ein Brot ist's. So sind wir, die vielen, ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben.“ (1.Korintherbrief 10, 16+17)

    Die Worte Paulus erinnern uns daran, dass das Abendmahl ursprünglich nicht als Stärkung für die Einzelnen verstanden wurde. Körperlich satt werden die meisten auch zuhause. Was sie aber brauchen, gerade in der Unterdrückung, ist ein Ort, an dem sie ihre Verzweiflung teilten - und ihre Hoffnungen. Einen Ort, an dem gemeinsam das Martyrium Jesu erinnert wird, statt den Misserfolg zu verdrängen.

    Abendmahl hat viele Dimensionen: Es kann ein Freudenmahl sein, dass die Gemeinschaft in Gottes Reich vorwegnimmt. Es kann eine Erinnerung an eigenes Scheitern und die Bitte um Stärkung sein. Es ist gewiss auch ein „Geheimnis des Glaubens“. Aber das Geheimnis liegt für mich immer weniger darin, ob eine Oblate oder ein Schluck Wein in etwas anderes verwandelt würde, wie das im Mittelalter verengt wurde. Von den biblischen Texten her ist dies unwahrscheinlich: Denn dann müsste „Dies ist mein Blut“ konsequent auf den Wein gedeutet werden. Genau das ist aber nicht der Fall: Benannt wird der Kelch, aus dem alle gemeinsam trinken. Der Leib und das Blut Christi sind die Gemeinschaft derer, die ihm zum Gedächtnis feiern.

    Für mich bleibt das Wunder diese stärkende Gemeinschaft: Niemand trinkt allein aus dem Kelch. Niemand bricht sich selbst das Brot. Selbst in unseren Altenheimen bitte ich jeweils eine Person, auch mir das Brot, auch mir den Kelch zu reichen, nachdem ich ausgeteilt habe. Und niemand bleibt allein oder gar vergessen. Das Abendmahl stellt Gemeinschaft her und fragt zugleich nach den Gemeinschaften in unserem Leben:

    Sind betagte Menschen in unserer Gesellschaft, die keine Familie in der Nähe haben, allein? Oder sind da nicht Menschen, die in Heime und Häuser gehen und andere besuchen – in unseren Gemeinden und überall in der Welt?

    Sind die Obdachlosen allein? Oder sind da nicht Menschen, die Kleidung und Essen austeilen – in vielen Orten, überall in der Welt?

    Sind belästigte Frauen allein? Oder gibt es nicht Menschen, die ihren Schrei hören und gesellschaftliche Veränderung einfordern?

    War Rosa Parks denn allein, als sie am 1. Dezember 1955 in einem Bus in Montgomery ihren Sitz nicht für einen weißen Passagier räumte? Nein, ihre Aktion wurde aufgenommen von der Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King, die bereits im Versöhnungsbund gewaltfreie Aktionen trainierten. Es kam zum Montgomery Bus Boykott – ein Jahr später war die Rassentrennung an Schulen und in Bussen aufgehoben.

    War Mahatma Gandhi allein, als er über 385 Kilometer von seinem Wohnort ans Arabische Meer zog, um am 12. März 1930 ein paar Körner Salz aufzuheben und damit gegen das Monopol auf Salzgewinnung und -vermarktung durch die britische Regierung zu protestieren? 78 Anhängerinnen und Anhänger waren mit ihm gezogen. Wichtiger aber: Nach dieser Geste fingen tausende Inderinnen und Inder an, selbst Salz zu gewinnen, indem sie Meerwasser in der Sonne verdunsten ließen.

    Britische Behörden haben über 50.000 Menschen deswegen verhaftet. Und Indien wurde unabhängig.
    Sind die Fliehenden allein, die todesmutig in Tripolis oder Bengasi ein Boot besteigen um dem Sklavenhandel in Libyen zu entfliehen. Sind sie denn alleine, wenn sie in Europa ankommen und um Asyl bitten? Oder treffen sie nicht auf Menschen, die retten, helfen und willkommen heißen – überall in unseren Gemeinden und überall in der Welt?

    Lassen Sie uns Abendmahl feiern – Gemeinschaft, die ausstrahlt in unsere Welt.

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