Dekanat Rodgau

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    Geschwindigkeit und Gelassenheit

    von Pfarrerin Kornelia Kachunga, Evangelische Kirchengemeinde Obertshausen


    „Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter anzuwerben für seinen Weinberg. Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg.

    Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere auf dem Markt müßig stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin.

    Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere stehen und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand angeworben. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg.

    Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde angeworben waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen.

    Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben.

    Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du darum scheel, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“

    (Matthäus-Evangelium, Kapitel 20).

    Montag Morgen auf der B43a Richtung Fulda. Ich bin unterwegs zu einem Treffen mit einer ehemaligen Kollegin. Ich genieße die freie Fahrt, während auf der Gegenfahrbahn der Verkehr steht.

    Immer länger wird der Stau ins Rhein-Main-Gebiet, und innerlich triumphiere ich, dass ich gerade in die „richtige“ Richtung fahre. Nach einer Weile, längst auf der A 66 angekommen, fällt mein Blick auf die Uhr: Wenn ich in diesem Tempo weiterfahre, werde ich eine halbe Stunde zu früh da sein! Was treibt mich denn so?

    Ich gehe runter vom Gaspedal und entspanne. Es ist ja mein freier Tag, ich muss mich gar nicht beeilen. Die Geschwindigkeit des Alltags darf runtergefahren werden. Ich denke an ein Bibelwort: „Die Letzten werden die Ersten sein.“ (Matthäus 20, 16) Jesus hat es in Bezug auf die Juden und die Heiden gesagt. Er sagte es als Kritik an einigen Juden, die nicht an Jesus glauben und seine Liebes- und Heilsbotschaft nicht verstehen wollten. Die Heiden (d. h. die Ungläubigen) hingegen, die Gottes Versöhnungsangebot annahmen, überholten auf einmal die Juden, die zunächst durch ihre Auserwählung ganz vorne gewesen waren.

    Vielleicht wähnten sie sich sicher. Auf der Überholspur sozusagen. Gerade in der richtigen Richtung, wo kein Stau das Leben behindert. Doch auf einmal müssen sie zusehen, wie anderen der Weg freigeräumt wird, um als erste ins Ziel zu gelangen.

    Sie selbst hingegen verpassen gerade sehr viel. Sie verpassen den, der direkt vor ihnen steht. Sie verpassen den, der sie liebt und der den Augenblick mit ihnen wertschätzen und genießen will. Sie verpassen den, der den Siegespreis schon in der Hand hält.

    Ich fahre nun auf der rechten Spur und lasse mich überholen. Die Autos rasen an mir vorbei. Eine Gelassenheit breitet sich in mir aus. Es treibt mich nichts mehr. Ich habe Zeit. Ich genieße den Blick auf die Natur, höre gute Musik. Ich darf mir Zeit lassen. Es ist meine Zeit und ich darf sie aus Gottes Hand annehmen und sie wieder in Gottes Hände legen. Ich muss mich nicht von „irgendetwas“ antreiben oder hetzen lassen, von dem ich nicht einmal so genau weiß, was es ist. Ich weiß nur, dass mich dieses „Etwas“ im Stau ungeduldig und ärgerlich macht und auf der Überholspur überheblich und siegessicher.

    In einem Gebet meiner Kindheit hieß es immer „Bewahre uns vor falschem Eifer“.  Und genau so fühlt sich das dann manchmal an, wie falscher Ehrgeiz und falscher Eifer, wenn wir nur noch gehetzt und gestresst und überfordert durch das Leben hasten. So sieht das „Leben in Fülle“ garantiert nicht aus, das Jesus uns schenken möchte.

    Ich nutze die verbleibende Zeit, um zu beten. Das Treffen mit meiner Freundin und Kollegin wird gut und füllt  meinen Kräftehaushalt. Der „falsche Antreiber“ haut ab und flieht. In mir breitet sich die Gewissheit aus, dass ich auch als letzte an meinem Ziel ankommen kann, so lange ich in der richtigen Richtung und mit Jesus unterwegs bin. Wie beruhigend, wissen und glauben zu dürfen: „Die Letzten werden die Ersten sein.“

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