Dekanat Rodgau

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    Geheimnis "Gottesdienst"

    von Pfarrer Ralf Feilen,
    Evangelisches Dekanat Rodgau

    Verstehen Sie Gottesdienst? Sie wissen was ich meine, diese Veranstaltung in der offenbar uralte Texte in einer unverständlichen Sprache gelesen werden. Da werden altmodische Lieder gesungen vom Herrn Zebaoth und so. Plötzlich stehen alle auf. Und dann setzen sie sich wieder hin. Ein Mensch mit einem schwarzen Umhang spricht so lange, dass ich kaum folgen kann. Und plötzlich ist es eine unendliche Zeit lang ganz still. Dann sprechen alle gemeinsam eine Art Beschwörungsformel. Der Schwarzgekleidete hebt die Arme und schlägt ein Kreuzzeichen. Ach, und dann wieder diese Musik...

    Was um Himmels Willen tun wir da eigentlich sonntags morgens zwischen 10  und 11 Uhr? Kirche bietet da eine echt geheimnisvolle Veranstaltung. Im Mittelalter war das wohl noch geheimnisvoller, weil alles in Latein gesprochen wurde.

    Martin Luther war es wichtig, dass die Menschen verstehen, was im Gottesdienst geschieht. Deshalb erfand er die deutsche Messe, einen evangelischen Gottesdienst in deutscher Sprache. Dazu gab es Lesungen ebenfalls in Deutsch, aus der von ihm selbst übersetzten Bibel. Auch die Gesänge waren nicht mehr lateinisch.

    Und trotzdem: der Gottesdienst bleibt heutzutage vielen Menschen verschlossen, unverständlich, ein Geheimnis.

    Und das ist gut so, sagt Martin Nicol. Er ist einer der führenden Fachleute für Gottesdienst, ein evangelischer Liturgietheologe. Er sagt, dass es mit dem Gottesdienst so ist wie mit der Bibel:“Wenn die Bibel verstanden ist, dann braucht sie nicht mehr gelesen, und die Liturgie, wenn sie verstanden ist, nicht mehr gefeiert zu werden.“

    Auch nach 40 Jahren Theologiestudium und Pfarrersein kann ich nicht behaupten, die Bibel, den Gottesdienst, geschweige denn Gott „verstanden“ zu haben. Es bleibt Geheimnis! Und das ist wie gesagt gut so. Wäre alles verstehbar, dann wäre die Bibel nicht mehr als eine Gebrauchsanweisung fürs Leben. Dann wäre der Gottesdienst ein religiöses Wunschkonzert. Und Gott? Eine handzahme Mischung aus Talisman und Weihnachtsmann, den sich jeder selbst designen kann.

    Für mich ist Gott Geheimnis. Und Gottesdienst ist, wie Martin Nicol sagt, ein Weg im Geheimnis. Der ist ebenso abenteuerlich wie normal. Im Gottesdienst kann eine wirkliche Begegnung zwischen Gott und Mensch geschehen. Martin Luther meinte, der Gottesdienst diene dazu „dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort und wir umgekehrt mit ihm reden durch unser Gebet und Lobgesang.“ Wenn das nicht schon Geheimnis ist! Und ein Geschenk ist es, wenn mich etwas berührt im Gottesdienst, wenn mich etwas anregt oder auch aufregt. Wenn etwas von dem, was ich da wahrnehme und erlebe, eine Resonanz in mir auslöst. Das kann gerade etwas sein, was ich nicht „verstehe“. Ein Lied, ein Gebet, ein Text, die Predigt, das Abendmahl, der Segen.

    Ein Weg im Geheimnis Gottes will wiederholt und eingeübt sein. Vieles kann so zugänglich werden. Manches darf fremd bleiben. So ist das mit Symbolen, Ritualen und Geheimnissen. Sie wollen nicht wortreich erklärt werden, jedenfalls nicht in der Feier des Gottesdienstes. Sie sollen so bleiben wie sie sind: notwendig und zwecklos, fremd und schön.

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